Das Wort accountability könnte mit „Rechenschaftspflicht“ oder „Verantwortungsübernahme“ auf deutsch übersetzt werden. In einem linken politischen Kontext verstehen wir accountability im Sinne einer „machtsensiblen Solidarität“. Der Begriff accountability wurde in den letzten Jahren innerhalb von sozialen Bewegungen in den USA öfters benutzt, um bestimmte Formen der Verantwortungsübernahme zu beschreiben:
1) Verantwortungsübernahme für individuelle Gewalthandlungen, d.h. die Verantwortung der Person, die Verletzungen oder Schaden verursacht hat, gegenüber der Person, die verletzt oder geschädigt wurde. Innerhalb der Anti-Gewalt-Bewegung in den USA wird somit der Begriff der accountability verwendet, um die Verantwortungsübernahme sowohl der Person, die sexualisierte Gewalt verübt hat, als auch der Umfelder, die diese Gewalt gebilligt haben, gegenüber der / den Person(en) / Gruppen, die von der Gewalt betroffen sind, zu beschreiben. In diesem Verständnis spielen die jeweiligen Umfelder oder CommunitiesG der betroffenen und der gewaltausübenden Person eine wichtige Rolle; d.h. sie können sowohl die Gewalt mitverursachen oder auch von ihr betroffen sein oder auch beides gleichzeitig.
Generell könnte eine Verantwortungsübernahme von einer gewaltausübenden Person bedeuten,
⇾ dass sie ihr gewaltförmiges Verhalten beendet sowie sich auf einen Veränderungsprozess einlässt
⇾ und dass sie sich um eine Wiedergutmachung für die von ihr verursachten Verletzungen bemüht, wie z.B. in Form der Anerkennung, einer Entschuldigung und
⇾ der Arbeit als Verbündete*r zur Transformation der gesellschaftlichen Gewalt- und Unterdrückungsverhältnisse.
2) Verantwortungsübernahme für strukturelle Gewalthandlungen, d.h. die Verantwortung der Personen, die über gesellschaftliche Privilegierungen und Macht verfügen, gegenüber den Personen, die aufgrund der sozialen Machtverhältnisse unterdrückt werden. Somit drückt der Begriff accountability in den antirassistischen Bewegungen in den USA die Verantwortung von weißen gegenüber People of Color oder in feministischen Bewegungen die Verantwortung von cis-Männern gegenüber Frauen* aus.
Grundlegend für das Konzept der Verantwortungsübernahme ist die Ansicht, dass die Gruppe, die am meisten von einer Form der Unterdrückung betroffen ist, im Zentrum des sozialen Kampfes für social justice stehen und auch dessen Agenda setzen sollte. Verbündete oder Personen in Machtpositionen können ihre Privilegierungen bewusst dazu einsetzen, um die sozialen Bewegungen in ihrem Kampf gegen die verschiedenen Unterdrückungsformen zu unterstützen. Dabei muss ihre Arbeit jedoch immer verantwortlich gegenüber den Gruppen von Personen sein, die von den Machtverhältnissen systematisch unterdrückt werden. Das Wort „Antwort“ in „verantwortlich“ spielt hierbei eine wichtige Rolle und meint, dass Verbündete sich in einer stetigen Beziehungen des Feedbacks, der Transparenz, des Engagements und der Verantwortlichkeit gegenüber den Diskursen und Bedürfnissen der betroffenen Gruppen befinden. Hiermit soll gewährleistet werden, dass die jeweiligen betroffenen Gruppen die Orientierung für die Arbeit der Verbündeten vorgeben kann und dass die Verbündeten für ihr Verhalten immer verantwortlich sind. Andere Begriffe, mit denen accountability in diesem Kontext häufig assoziiert wird, sind: Vertrauen, Loyalität, Solidarität, Unterstützung und Zuverlässigkeit.